15 Giu Gewaltpathologien in der Christentumsgeschichte
The special “The Remains of Regensburg” is edited by Gabriele Palasciano. Text by von Mariano Delgado*.
In der Regensburger Rede vom 12. September 2006 zitierte Papst Benedikt XVI. bekanntlich den gelehrten byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos, der wohl 1391 sich, wie der Papst betont, „in erstaunlich schroffer, für uns unannehmbar schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen [muslimischen] Gesprächspartner“ wandte: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“. Die Empörung über dieses Zitat war in der islamischen Welt so groß, dass Benedikt XVI. dem offiziellen Text seiner Rede diese Anmerkung beifügte: „Dieses Zitat ist in der muslimischen Welt leider als Ausdruck meiner eigenen Position aufgefasst worden und hat so begreiflicherweise Empörung hervorgerufen. Ich hoffe, dass der Leser meines Textes sofort erkennen kann, dass dieser Satz nicht meine eigene Haltung dem Koran gegenüber ausdrückt, dem gegenüber ich die Ehrfurcht empfinde, die dem heiligen Buch einer großen Religion gebührt. Bei der Zitation des Texts von Kaiser Manuel II. ging es mir einzig darum, auf den wesentlichen Zusammenhang zwischen Glaube und Vernunft hinzuführen. In diesem Punkt stimme ich Manuel zu, ohne mir deshalb seine Polemik zuzueignen.“
Bei einer Diskussion über das Gewaltpotential der Religionen wären christliche Vertreter schlecht beraten, wenn sie sich mit einem belehrenden Ton daran beteiligten. Mit dem Kirchen- und Religionshistoriker Ernst Benz ist festzuhalten: „Weder der Islam noch der Buddhismus noch der Hinduismus haben auch nur entfernt so viele Menschen um ihres Glaubens willen getötet wie die christlichen Kirchen.“ Künstler wie der Mexikaner José Clemente Orozco haben dieses Bewusstsein sehr drastisch ausgedrückt: Wenn Christus zurückkäme, würde er als erstes das Kreuz zerstören, weil Christen unter diesem Zeichen eine Spur der Gewalt in der Geschichte hinterlassen haben („Christus zerstört sein Kreuz“ – Öl auf Leinwand). Aus der Christentumsgeschichte kann man aber lernen, wie bestimmte Gewaltpathologien mit Hilfe der theologisch-philosophischen Vernunft und der säkularen Rechts- und Staatsentwicklung überwunden worden sind. Und diese selbstkritische Sicht können und sollen Christen in den interreligiösen Gewaltdiskurs selbstbewusst einbringen. […]
*Der Autor ist Prof. für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte sowie Direktor des Instituts für das Studium der Religionen und den interreligiösen Dialog an der Universität Freiburg, Schweiz.