23 Giu Gott und der Seele gemäß oder über den Rang der Vernunft
The special “The Remains of Regensburg” is edited by Gabriele Palasciano. Text by Klaus Müller.
Papst Benedikt hielt während seines Heimatbesuchs an der Universität Regensburg, an der er einst lehrte, nochmals eine Vorlesung und trug Erinnerungen und Reflexionen (so der Untertitel) zum Thema Glaube, Vernunft und Universität vor. Binnen Tagesfrist hob in der muslimischen Welt ein Sturm der Entrüstung an, weil der Papst mit einem mittelalterlichen Zitat eines byzantinischen Kaisers den Propheten Mohammed und den ganzen Islam mit dem Vorwurf beleidigt habe, gewalttätig zu sein. Vatikanische Behörden und dann der Papst selbst nahmen Klarstellungen vor, die nur mühsam und auch bloß in Teilen die Wogen glätten konnten. Gewiss: Auch nur ein Halbsatz über die eigene Gewaltgeschichte des Christentums hätte dem – von etlichen Kreisen durchaus gezielt gesuchten – Missverständnis einer Verurteilung des Islam politisch den Weg verlegt. Aber nüchternem Hinhören hätte auch vor den Klarstellungen schon deutlich sein können, dass es dem Papst einzig um eine ganz bestimmte Formulierung in dem Zitat ging: Der Kaiser Manuel II. Paleologus, den Benedikt zitierte, war der Meinung, dass Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig sei, weil sie im Widerspruch zu Gottes Wesen und zum Wesen der Seele stehe.
«„Gott hat kein Gefallen am Blut […] und nicht vernunftgemäß – nicht syn logo – zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider.“»
Oder positiv gesagt: Gott und Vernunft gehören untrennbar zusammen. Zudem hat Glaubensverkündigung ihre Adressatin in der Seele, die wegen der ihr wesentlichen Leistung der Erkenntnis von Wesen vernünftig ist. Darum kann angemessene Verkündigung nur mit gutem Reden und rechtem Denken und grundsätzlich nicht mit Gewalt geschehen. Die Konsequenzen des faktischen, durch das Zitat bedingten Islambezugs verdeckten, dass es nicht um ein religionspolitisches oder -kritisches Problem ging, sondern um die Verfassung des Verhältnisses von Vernunft und Glaube. Denn die konstitutive Verknüpfung beider einerseits in Gott und andererseits in der Seele und die daraus auch folgende Gewaltkritik war es, worauf es dem Papst ankam. Das hatte in der Tat eine kritische Spitze, aber die zielte nicht auf den Islam, sondern hat innerchristliche Adressaten. Das belegt die Tatsache, dass es in der Vorlesung Benedikts ab dem zweiten Absatz nach dem berüchtigten Zitat bis zum Ende, also konkret 15 Seiten lang, um das Problem der sogenannten Hellenisierung geht, d.h. darum, ob diese Zusammenführung von Vernunft und Glaube nur Resultat einer Überformung – oder gar Verfremdung – der christlichen Grundbotschaft durch das griechisch-philosophische Denken in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende ist. Oder ob es sich bei der Vernunft-Glaube-Verschränkung um eine geschichtliche Konvergenz beider Traditionen handelt, die von der Sache selbst, also vom christlichen Gottesbegriff, getragen ist. Das ist die wirkliche These, um die es geht und über die zu streiten ist. […]